Bündnis für legale Prostitution – Einleitung – Reader 2025

Das Thema Prostitution – oder anders ausgedrückt Sexarbeit – wird in unserer Gesellschaft und auch darüber hinaus äußerst kontrovers diskutiert. Während Teile der Bevölkerung Prostitution als selbst­bestimmte Arbeit wahrnehmen, behaupten andere, dass Sexarbeiter:innen per se Opfer, Unterdrückte und Ausgebeutete seien, die vor sich selbst und vor anderen geschützt werden müssten.

Die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen wurden nach dem Inkraft­treten des ProstG 2002 und des ProstSchG 2017 heftiger und kontroverser. Selbstbewussten Sexarbeiter:innen, die sich öffentlich positionierten und ihre Grundrechte einforderten, traten Prostitutionsgegner:innen gegenüber, die Deutschland zum Bor­dell Europas erklärten, schwerste Menschenrechtsverletzungen unterstellten und sich zunehmend und organisiert für die Einführung eines Sexkaufverbots in Deutschland aussprachen.

Bei dem geforderten Sexkaufverbot nach dem sogenannten „Nordischen Modell“ bleiben Sexarbeiter:innen straffrei, während die Kunden und die Betreiber:innen von Prostitutionsstätten gezielt kriminalisiert werden.

Die Errungenschaften der eingeführten Prostitutionsgesetze werden negiert; mit aufwendigen wie medienwirksamen Kampagnen wird ein düsteres Bild der gesamten Branche gezeichnet. Besonders die Betreiber:innen von Prostitutionsgewerben stehen im Fokus und werden pauschal mit Ausbeutung und Menschenhandel in Verbindung gebracht. Kunden werden nicht in ihrer Vielfalt wahrgenommen, sondern nur als Monster, Perverse und Gewalttätige. Die Realität sieht ganz anders aus.

Die diffusen Behauptungen der Sexkaufgegner:innen und deren mediale Verbrei­tung führten im Jahr 2023 sogar dazu, dass die CDU/CSU­-Fraktion im Deutschen Bundestag einen Gesetzgebungsantrag einbrachte, der ein sofortiges Sexkaufverbot und eine Freierbestrafung forderte. Mangels politischer Mehrheit hatte der Antrag in der vergangenen Legislatur keinen Erfolg, das Thema blieb aber im Bundestagswahlkampf als „3­-Säulen­-Modell“ im CDU/CSU­Wahlprogramm erhalten.

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD wurde das Vorhaben erneut diskutiert, aber ein Sexkaufverbot und eine Freierbestrafung wurden nicht in den Koalitionsvertrag integriert. Man will nun die soeben erfolgte Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes auswerten und dann bei erkennbarer Notwendigkeit Nachbesserungen vornehmen und eine Expertenkommission hinzuziehen.

Das „Bündnis für legale Prostitution“, bestehend aus Sexarbeiter:innen, Betrei­ber:innen und ihren Zusammenschlüssen, das sich im Herbst 2024 gegründet hat, wird diesen politischen Weg aktiv begleiten und liefert mit der vorliegenden Publikation wichtige Argumentations­ und Diskussionshilfen gegen ein Sexkaufverbot.

Es ist an der Zeit, den diffusen Behauptungen und Forderungen der Sexkaufgegner:innen Daten und Fakten gegenüberzustellen, um die notwendigen Diskussionen mit mehr Tiefe und Vielfalt zu versachlichen.

In unserer Broschüre kommen Sexarbeiter:innen, Kunden, Bordellbetreiber:innen und ihre Interessenverbände, Fachberatungsstellen der Prostitution, Rechtsanwält:in­nen und Berater:innen, Historiker:innen und Werbeportale zu Wort. Sie berichten aus ihren jahrzehntelangen Erfahrungen und aus ihrem jeweiligen professionellen Blickwinkel. So entsteht ein vielfältiges Bild der Sexarbeit: nüchtern, sachlich, faktenbasiert – angereichert mit Wissen, Knowhow und Studien. Sexarbeit soll als das angesehen werden, was sie ist: ein Teil unseres Wirtschaftslebens.

Dabei bekennt sich unser Bündnis ausdrücklich zu einem bedingungslosen Kampf gegen jede Form von Menschenhandel und Ausbeutung und fordert den Erhalt der legalen Sexarbeit in Deutschland sowie Respekt und Rechtssicherheit für die Sexarbeitenden.

Die Informationsschrift wendet sich in erster Linie an Politiker:innen und Behör­den, aber auch an sonstige Interessierte und wird begleitet und ergänzt um die Internetpräsenz www.kein-­sexkaufverbot.de mit zusätzlichen und ständig aktuali­sierten Informationen. Wir danken Ihnen für Ihr Interesse, wünschen einen reichen Erkenntnisgewinn und stehen Ihnen als Ansprechpartner:innen zur Verfügung.

Für das Bündnis für legale Sexarbeit

Stephanie Klee Howard Chance


 

Zur Inhaltsübersicht des Readers

,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert