Um zu verdeutlichen, was durch ein Sexkaufverbot nach dem sogenannten „Nordischen Modell“ verloren gehen könnte – aber auch, was nicht wiederkehren sollte – möchte ich auf einige meiner Erfahrungen zurückgreifen, welche ich seit Ende der 1960er-Jahre in München und an anderen Orten im Bereich der käuflichen Lust sammelte.
Wie ich die 1960er- und 1970er-Jahre erlebte
Trotz der gesellschaftlichen Umwälzungen durch die 68er-Bewegung war es für mich unmöglich, unverbindlich intime Erfahrungen zu sammeln. Bordellbesuche erschienen mir als einziger Weg. Die Realität war jedoch ernüchternd: vor der Zimmertür wurden mir von der Sexarbeiterin Dienstleistungen versprochen, die dann nicht eingehalten wurden. Hygiene war ein Problem: weder saubere Liegen noch Waschmöglichkeiten standen in den Laufhäusern oder auf dem Straßenstrich zur Verfügung und so stellen sich wohl noch heute viele Menschen die Zustände vor. Nach jedem Besuch dachte ich mir: nie wieder! Aber dieser Vorsatz hielt bei einem 20-jährigen nicht lange, ja nicht einmal in meinen späteren Jahren und so wird es auch bei einem Verbot des Sexkaufs immer Kunden geben, die selbst unter fragwürdigen Bedingungen Prostituierte aufsuchen.
Wandel in den 1970er- und 1980er-Jahren – Sexarbeit wird vielfältiger
Mit den Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele München 1972 wurde die Prostitution durch Einführung von Sperrbezirken aus dem Stadtzentrum verdrängt. Die neuen Etablissements waren meist gepflegter. Ende der 1970er-Jahre begegnete ich in Clubs erstmals Frauen, die nicht im Akkord arbeiteten, sondern nach Zeit abrechneten. Da durch entstanden Räume für ein breiteres sexuelles Angebot, aber auch für persönliche Begegnungen.
Ein großer Fortschritt waren die neuen Studios für erotische Massagen, insbesondere solche, die aus dem Tantra-Bereich entwickelt wurden. Hier bleibt der Kunde passiv, Entspannung und körperliches Wohlbefinden sind das Ziel, vermittelt durch körperliche und geistige weibliche Präsenz; ein Geschlechtsverkehr findet nicht statt. Diese Erfahrungen bereicherten mein Liebesleben und trugen sogar dazu bei, meine Ehe zu stabilisieren.
Das Sexkaufverbot betrifft jedoch auch diesen Sektor, da erotische Massagen gesetzlich als Prostitution betrachtet werden. Im Unterschied zu gewöhnlichen Bordellen wird erotische Massage im Münchner Sperrbezirk (noch) geduldet. Damit ergeben sich für mich aber zwei Probleme: erstens kann eine mögliche weitere Duldung in jeder Stadt unterschiedlich gehandhabt werden und so werde ich ebenso wie die Masseurinnen der Willkür der regionalen Verwaltung oder Polizei ausgesetzt; zweitens wird, wie schon heute in Schweden, unter dem Label „Massagen“ auch Sex angeboten werden, was die klare Unterscheidung verwischt und den Massagesektor gefährdet. Gerade als älterer Mensch würde ich diese sanfte Art der Sexarbeit sehr vermissen.
Die 1990er-Jahre bis heute – Professionalisierung und erhöhte Sicherheit
In den folgenden Jahrzehnten besuchte ich Sexarbeiterinnen nicht mehr auf dem Straßenstrich oder Laufhäusern, sondern fast nur noch in Terminwohnungen, Clubs und FKK-Clubs. Dort waren die hygienischen Zustände in Ordnung. Absprachen wurden weitestgehend eingehalten. Ich fühlte mich im geschützten Raum derartiger Etablissements sicher. Daraus ergab sich auch ein wachsendes gegenseitiges Vertrauensverhältnis zu den Prostituierten. Gleichzeitig fand eine Art Professionalisierung der Sexarbeit statt in dem Sinn, dass der im Angebot beschriebene Serviceumfang und dessen Grenzen klargestellt und beachtet wurden.
Per Internet organisierte Treffen in privaten Räumen vermied ich weitestgehend allein schon wegen der Unsicherheit, was da auf mich zukommen würde. Genau dahin würde sich aber die Prostitution verlagern, wenn ein allgemeines Sexkaufverbot Gesetz werden würde. Mir war immer der persönliche Aspekt zu den Sexarbeiterinnen wichtig. Ich wollte „Stammkunde“ sein. Wie aber könnte ich unter einem Sexkaufverbot ein gern empfangener Gast sein, wenn mit jedem Besuch die Gefahr wächst, entdeckt oder denunziert zu werden. Verbotener Sexkauf wäre eine Straftat, die Prostituierte könnte sogar vor der Vernichtung ihrer Existenz stehen. Nicht einmal Blumen könnte ich mitbringen, denn damit würde ich auffallen und statt Freude eher Angst auslösen. Für mich, inzwischen Mitte 70, bedeuten diese Frauen, der Anblick ihrer Schönheit und ihre empathische Zuwendung bis heute eine Lebensqualität, die ich keinesfalls missen möchte.
Im Lauf der Jahrzehnte habe ich mehrere deutsche und ausländische Sexarbeiterinnen kennengelernt, die mir etwas Einblick in ihr Privatleben gaben und die ich fragen konnte, wie sie in den Job kamen und ob sie von Kolleginnen wüssten, die unter Zwang arbeiteten. Keine einzige wurde gezwungen und keine hatte im Laufe von Jahren eine Kollegin, bei der man eine Ausbeutung durch Dritte annehmen musste.
Ein Sexkaufverbot wäre ein Rückschritt in dunkle Zeiten der Prostitution!
Eine zusätzliche Stigmatisierung fördert prekäre Verhältnisse. Viele Frauen haben während und nach den Corona-Lockdowns zwar „normale Arbeit“ angenommen, aber aufgrund mangelnder Voraussetzungen (z.B. keine oder eine nicht anerkannte Ausbildung) werden sie oft so schlecht bezahlt, dass sie mit Gelegenheitsprostitution aufstocken müssen. Sie arbeiten somit schon heute im „Dunkelfeld“, aber keineswegs in einem kriminellen. Ein Sexkaufverbot würde ihre Lage trotzdem weiter verschlechtern; denn auch hier müssen Kunden angeworben werden und Sexarbeit in der eigenen Wohnung birgt ein zusätzliches Risiko.
Die Stigmatisierung sowohl der Dienstleisterinnen als auch der Kunden wird gezielt verstärkt. Selbstverständlich hätte ich ein Problem damit, weil ich die Arbeit dieser Frauen hoch schätze und diese Frauen keinesfalls im Stich lassen möchte. Mit einigen habe ich über den Altersunterschied hinweg sogar Freundschaft geschlossen. Gerade Frauen, die im Laufe von Jahren sozusagen schleichend aus der Prostitution aussteigen, brauchen ein Netzwerk von Stammkunden, die sie nicht nur finanziell unterstützen, sondern z. B. auch Arbeit oder eine Wohnung für sie finden. Dafür möchte ich aber zukünftig nicht als Zuhälter bezichtigt werden, wie es im geplanten Sexkaufverbot vorgesehen ist! Ich möchte nicht, dass Frauen durch rein auf den Ausstieg gerichtete Beratungen vom Staat in andere Arbeitsverhältnisse gedrängt werden. Ich möchte nicht, dass ihre seelische und körperliche Gesundheit durch verstärkte Stigmatisierung gefährdet wird.
Mein persönliches Schlusswort
Kurz vor der goldenen Hochzeit kann ich von mir sagen, dass Sexarbeiterinnen meine Ehe vor gefährlicher Unzufriedenheit bewahrt haben; dafür habe ich die Frauen zwar bezahlt, aber nicht „gekauft“; im Gegenteil, ich bin jeder einzelnen einfach nur dankbar. Ein Sexkaufverbot würde die Möglichkeit meiner körperlichen und seelischen Zufriedenheit verhindern, die viele Menschen, Alte und Junge, Frauen und Männer, mit und ohne Partner sowie Menschen mit Behinderungen brauchen.
Ein interessanter Link für Sexarbeits-Kunden, die sich informieren oder engagieren möchten:
https://kundschaft-sexarbeit.de