John Heer – VdL e. V. – Beurteilung eines Sexkaufverbots

Als Verband deutscher Laufhäuser stehen wir für Transparenz in der Prostitution und sprechen uns bereits seit Jahren gegen ein Sexkaufverbot in Deutschland aus, da alle Fakten gegen ein solches Verbot sprechen.

1 … Situation in Ländern mit einem Sexkaufverbot

Seit Jahren wird von den Prostitutionsgegnern beharrlich ein Sexkaufverbot (Nordisches Modell) in Deutschland gefordert, da dieses Modell die einzige Möglichkeit sei, die Situation der Prostituierten zu verbessern und die Prostitution auszumerzen.

Wissentlich verschwiegen wird hierbei jedoch …

  • dass in keinem einzigen dieser Länder die Prostitution tatsächlich zurückgedrängt wurde, so spricht man in Frankreich trotz Sexkaufverbot seit 2016 in einem Zwischenbericht im Jahr 2021 wieder von über 40.000 Prostituierten,
  • dass sich in keinem einzigen dieser Länder die Situation der Prostituierten verbessert hat, die Stigmatisierung und Marginalisierung von Sexarbeiterinnen weiter vorangeschritten ist,
  • dass die illegale Prostitution und der Menschenhandel zugenommen haben,
  • dass vor allem eine Regulierung durch die Behörden durch ein Verbot schwieriger geworden ist, weil der Zugang zu den Prostituierten nicht mehr gegeben ist.

2 … Prostituiertenschutzgesetz 2017 (ProstSchG)

Mit Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes 2017 hat der Gesetzgeber in Deutschland eine Grundlage für in der Prostitution tätige Menschen und das Gewerbe geschaffen, welche die Situation der Prostituierten grundlegend verbessern und den Menschenhandel unterbinden sollte. So wurden beispielsweise folgende Anforderungen festgelegt

  • § 2.2…ein Prostitutionsgewerbe betreibt, wer gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person anbietet oder Räumlichkeiten hierfür bereitstellt….,
  • § 2.4…Prostitutionsstätten sind Gebäude, Räume und sonstige ortsfeste Anlagen, die als Betriebsstätte zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt werden,
  • § 3…Anmeldepflicht für Prostituierte,
  • § 12…Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe.

Von Seiten der Befürworter eines Prostitutionsverbots heißt es seither immer wieder, dass das ProstSchG gescheitert sei. Fakt ist jedoch, dass nicht das Gesetz, sondern die Umsetzung bisher gescheitert ist.

Dies vor allem deshalb, weil man ein Gesetz verabschiedet und dabei nicht berücksichtigt hat, dass zur Umsetzung und zur Kontrolle dieses Gesetzes dementsprechend Personal in der dafür zuständigen Verwaltung abgestellt werden muss.

3 … BKA-Berichte 2016 – 2022

Die Auswirkungen des Prostituiertenschutzgesetzes lassen sich anhand der Berichte des Bundeskriminalamts (BKA) zwischen 2016 und 2022 am besten verdeutlichen.

Im Jahr 2016 gab es laut BKA

  • 488 Opfer Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung,
  • 363 Ermittlungsverfahren.

Im Jahr 2017 gab es laut BKA

  • 489 Opfer Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung (+0,2 % i.V. z. Vorjahr),
  • 327 Ermittlungsverfahren (-9,9 % i.V. z. Vorjahr).

In diesem Jahr wurde ab dem 01. 07. 2017 das Prostituiertenschutzgesetzes in der jetzigen Form umgesetzt.

Somit wurde erstmalig in Deutschland

  • die in der Prostitution tätigen Menschen behördlich erfasst,
  • die Gewerbebetriebe, welche den Auflagen des ProstSchG entsprachen, konzessioniert.

Gewerbebetriebe durften somit nur noch Prostituierte mit einer gültigen Anmeldebescheinigung oder Aliasbescheinigung, welche durch die zuständigen Behörden erstellt wurde, arbeiten lassen.

Im Jahr 2018 gab es laut BKA

  • 32.800 angemeldete Prostituierte laut statistischem Bundesamt,
  • 430 Opfer Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung (-12,1 % i.V. z. Vorjahr),
  • 356 Ermittlungsverfahren (+ 8,9% i.V. z. Vorjahr).

Dies war ein erster Erfolg des ProstSchG aus dem Jahr 2017, denn der Grundgedanke der Gesetzgebung, den Kontakt zu den Prostituierten herzustellen und in einem Vertrauensgespräch die Situationen der Prostituierten genauer einschätzen zu können und dadurch eventuelle Missstände in Bezug auf Menschenhandel herauszufinden, hat erstmalig Wirkung dahingehend gezeigt, dass sich die Zahl der Opfer reduziert und die Anzahl an Ermittlungsverfahren erhöht hat. Auch wurde aufgrund der nunmehr notwendigen Anmeldepapiere der Prostituierten das Arbeiten in legalen Bordellen für Menschenhändler uninteressanter und zu gefährlich.

Im Jahr 2019 gab es laut BKA

  • 40.400 angemeldete Prostituierte laut statistischem Bundesamt,
  • 427 Opfern Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, was dem Vorjahresniveau entsprach,
  • 287 Verfahren (-19,4 % i.V. z. Vorjahr) zurück.

Im BKA-Bericht 2019 wurde in Bezug auf die aktuelle Entwicklung bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die illegale (irreführend) „private“ Prostitution zunehmend an Bedeutung gewinnt und schwer zu kontrollieren ist.

Im Jahr 2019 waren 74 % aller Opfer in Bezug auf Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in illegalen Bereichen tätig, welche gemäß § 2.2 + 2.4 + § 12 ProstSchG keine Anmeldung und Erlaubnis hatten.

Im Jahr 2020 gab es laut BKA

  •  24.900 angemeldete Prostituierte laut statistischem Bundesamt,
  • 406 Opfer Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, (-4,9 % i.V. z. Vorjahr),
  • 291 Verfahren (+1,4 % i.V. z. Vorjahr).

Im BKA-Bericht 2020 wurde erneut davor gewarnt, dass eine extreme Verlagerung der Prostitution von Bordellen in Wohnungen, Häuser und Hotels stattfindet und gleichzeitig deutlich jüngere Opfer im Bereich sexueller Ausbeutung als im Vorjahr registriert wurden. In diesem Jahr hatte man erstmalig ein indirektes Nordisches Modell in Deutschland, da aufgrund der Coronaverordnungen in Deutschland die Prostitutionsstätten geschlossen wurden. Ein signifikanter Rückgang der Prostitution war in dieser Zeit nicht zu verzeichnen. Dies deshalb, weil viele in der Prostitution tätigen Frauen ihrer Tätigkeit in Wohnungen und Hotels nachgegangen sind.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Anmeldungen der Prostituierten automatisch bis zum Lebensalter von 21 Jahren nach einem Jahr und ab dem 21. Lebensjahr nach 2 Jahren automatisch erlischt und aus der Statistik herausfällt. Somit sind in den offiziell angemeldeten Zahlen im Jahr 2020 noch automatisch Anmeldungen aus dem Jahr 2018 und 2019 enthalten.

Im Jahr 2021 gab es laut BKA

  • 23.700 angemeldete Prostituierte laut statistischem Bundesamt,
  • 417 Opfer Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, (+2,0 % i.V. z. Vorjahr),
  • 291 Verfahren (+/- 0 % i.V. z. Vorjahr).

Auch im Jahr 2021 wurde im BKA-Bericht vor der weiterhin steigenden Bedeutung der „private“ Wohnungsprostitution genauso gewarnt wie vor der steigenden Anzahl der Verfahren bei Ausbeutung von Minderjährigen. So hieß es in diesem Bericht wörtlich:

„In den letzten Jahren wurde festgestellt, dass immer weniger Opfer in der klassischen Bar- und Bordellprostitution sowie der Straßenprostitution ausgebeutet wurden. Der deutliche Trend der Verlagerung hin zur Ausbeutung in der Wohnungsprostitution setzte sich dabei fort, …“

Und 2021 stammten 83 % (+6 %) aller Opfer aus dem nicht konzessionierten Bereich.

Im Jahr 2022 gab es laut BKA

  • 28.300 angemeldete Prostituierte laut statistischem Bundesamt,
  •  476 Opfer Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, (+14,1 % i.V. z. Vorjahr),
  • 346 Verfahren (+18,9 % i.V. z. Vorjahr).

Auch im Bericht 2022 weist das BKA erneut auf eine weitere Verschiebung der klassischen Bordell-Bar und Straßenprostitution hin zur Wohnungsprostitution und Haus- und Hotelbesuche hin. Auch hier wurde ein Anstieg der Opfer aus Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in diesem Bereich verzeichnet.

Die Auswertung der BKA-Berichte zeigt eindeutig, dass man mit dem ProstSchG auf dem richtigen Weg ist, die Situation der Prostituierten in diesem Gewerbe zu verbessern.

Dies zeigen die Zahlen zwischen 2017 und 2019 eindeutig auf. Der große Fehler liegt jedoch in der Tatsache, dass man das Gesetz bis heute nicht richtig und konsequent in Bezug auf die Schließung von illegalen Betrieben umsetzt. Man hat die Warnungen des BKA ignoriert und in vielen Städten und Kommunen herrscht ein Vollzugsdefizit in Bezug auf die konsequente Umsetzung des ProstSchG.

4 … Fazit

Ein generelles Verbot von Sexkauf und von Prostitutionsstätten ist der falsche Ansatz, da dies einzig und alleine die illegale Prostitution und den daraus resultierenden Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung fördert. Ein Verbot verbessert auch nicht die Situation der Prostituierten in diesem Gewerbe, sondern es fördert die Stigmatisierung und Rechtlosigkeit von Sexarbeiter:innen.

Eine konsequente Umsetzung des ProstSchG durch die Verwaltung ist der einzig richtige Weg, um die Opferzahlen zu reduzieren und den Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung massiv einzudämmen. Hierzu bedarf es jedoch wesentlich mehr Personal und wesentlich mehr Engagement von Seiten der Verwaltung.



Fußnote …

https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/Menschenhandel/menschenhandel_node.html


John Heer – Vorstand
Verband deutscher Laufhäuser e. V.
Weberstr. 11 b – 70182 Stuttgart


www.deutscherlaufhausverband.de


 

Zur Inhaltsübersicht des Readers

,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert