Der neuen Bundesregierung sollten die Folgen eines Sexkaufverbotes und einer Freierbestrafung klar sein.
Neben generellen verfassungsrechtlichen Bedenken, auf die schon diverse Institutionen hingewiesen haben, würde dies insbesondere auch Menschen mit Behinderungen nachhaltig treffen. Denn ein Teil der Sexarbeit besteht auch aus Sexualassistenz. Es handelt sich hierbei um ein besonderes Format, bei dem es aber im Kern auch um den Austausch von sexuellen Handlungen gegen Entgelt geht.
Gerade Menschen mit Behinderungen sind je nach Art und Ausmaß ihrer Beeinträchtigung weniger in der Lage, ihre sexuelle Selbstbestimmung tatsächlich ausleben zu können. Dies gilt dann umso mehr, wenn sie sich eben aufgrund von Alter oder Behinderung in entsprechenden Einrichtungen, wie Seniorenresidenzen und Behindertenwohnheimen befinden.
In den vergangenen Jahrzehnten stellte die Inanspruchnahme von Sexualassistenz insoweit einen tatsächlichen Nachteilsausgleich dar.
Auch das Sozialgericht Hannover hat mit Urteil vom 11. Juli 2022, Az. S 58 U 134/18 (1), klargestellt, dass die Inanspruchnahme von Sexualbegleitung der sozialen Teilhabe nach dem Bundesteilhabegesetz dient. Sie sei geeignet, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, da sie ein elementares Grundbedürfnis befriedigen würde. Dies seien die Voraussetzungen einer effektiven sozialen Teilhabe. Daran würde auch nichts ändern, dass Sexualbegleitung nicht in einem öffentlich wahrnehmbaren Raum stattfinde.
Auf der Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für seelische Gesundheit bei Menschen mit geistiger Behinderung e. V. (2) wies die in diesem Bereich anerkannte Juristin Prof. Dr. Julia Zinsmeister auf die diskriminierenden Folgen eines Sexkaufverbots für Menschen mit Behinderung hin. So befürwortet sie beispielsweise die Besuche von Sexualassistentinnen in Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe auch, sofern diese in einem Sperrgebiet liegen.
Unter Hinweis auf entsprechende Rechtsprechung wies sie darauf hin, dass ein solches Verbot quasi ein Sexverbot für die dort betroffenen Menschen darstellen würde und resümiert:
„Dies wäre ein sachlich nicht begründeter staatlicher Eingriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung behinderter Menschen nach Art. 2 Abs. 1 GG.“
Dieses Resümee lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass es auch für ein generelles Sexkaufverbot gelten würde.
Ebenfalls im erwähnten Tagungsband abgedruckt ist ein Interview mit einem Menschen mit Behinderung, der sich zu seiner Sexualität äußert. In diesem Zusammenhang wird er auch nach der Inanspruchnahme von Sexualassistenz gefragt. Hier seine Antwort:
„Ich nehme seit vier Jahren Sexualassistenz in Anspruch. Mein Verhalten hat sich da durch verändert, ich bin selbstbewusster geworden. Das Leben kann ein völlig anderes sein, wenn man das Gefühl hat, geliebt zu werden und wertvoll zu sein. Und auch, wenn diese Liebe gespielt ist, kann dieses Spiel aufregend sein. Es hilft ungemein, jemanden zu haben, bei dem man zur Ruhe kommt. Die Ruhe, die Torsten (Anm. d. Red. der Sexualassistent Torsten) in sich trägt, überträgt sich bei jeder Berührung auf mich. Der Stress vom Alltag, die Unzufriedenheit, der Kampf gegen das Unverständnis der Menschen ist für einige Stunden verflogen. Sexualassistenz ist wichtig!“
Ich denke, besser lässt sich nicht zusammenfassen, welche Bedeutung Sexualassistenz für viele Menschen mit Behinderungen hat.
Die Sexualassistenz aufgrund der Folgen eines Sexkaufverbotes, Menschen mit Behinderungen zu verweigern, stellt einen elementaren Verstoß gegen Grund- und Menschenrechte dar.
Fußnoten:
(1) https://sozialgerichthannover.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/kostenubernah mefursexualassistenznachschwerenarbeitsunfallverletzungen213604.html (2) Hrsg. Meike Wehmeyer und Gloria Dorsch, Dokumentation der Fachtagung der Deutschen Gesell schaft für seelische Gesundheit bei Menschen mit geistiger Behinderung e. V. vom 10. November 2023, Band 51, München 2024, Sexuelle Selbstbestimmung_MW
Dr. Martin Theben
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kuglerstr. 22 – 10439 Berlin

